Rückblick: Rien ne va plus

Die WM ist Geschichte, fünfeinhalb Tage intensives Schachfieber sind vorbei, die Traumblase zerplatzt. Für mich war es wie für viele andere, die reinste Achterbahnfahrt, die Anstrengung enorm, das Teilnehmerfeld brutal. Meistens war es schön, sogar an einige Niederlagen erinnere ich mich mit Wohlwollen, andere Partien waren vom ersten Zug an eine Tortur. Ich bin aber glücklich, dass ich dabei war. Hätte ich das Event hier verpasst, ich hätte es mir wohl über Jahre nicht verzeihen können.

Am Meisten wird sich mir wohl das Blitzturnier in die Erinnerung einbrennen, welches wie ein Drama ohne richtiges Happy End geschrieben war. Die Startphase war phänomenal, ich finde keine anderen Begriffe dafür. Remis gegen Anand (den ich nur bekam, weil meine 51 Elo Punkte, die am Tag vor dem Turnier spurlos von meiner Karteikarte verschwunden waren, doch noch auftauchten). Dann Colorado-Sieg gegen Onischuk. Dann Remis gegen Fedoseev aus Position der Stärke. Dann noch ein Colorado-Sieg gegen Savchenko. Und dann ein Remis gegen den zweiten (Blitz)Ex-Weltmeister Dominguez. Dann zwar eine zweite Null in Berlin gegen Ghaem Maghami, man kann wohl sagen, „He’s got my number“. Doch anschließend schlug ich Bacrot. 4,5/7, ein Plus von vllt 50 Elopunkten. Wahnsinn, wo hat dieses Casino die Kasse, ich möchte bitte meine Chips einlösen!

In der Partie gegen Cheparinov begann der Niedergang

In der Partie gegen Cheparinov begann der Niedergang (Foto: Georgios Souleidis)

Leider hatte das Casino eine Umtauschgebühr in Höhe von 5000$, die bei vorzeitigem Turnierabbruch berechnet wurden. Also spielte ich weiter. Aber von nun an war es vernagelt. Setzte ich Rot, kam Schwarz. Wenn ich die Chips auf Schwarz hatte, lag die Kugel auf Rot. Setzte ich auf das große und kleine Drittel, kam höhnisch die 13. Ich verlor fünf Partien in Folge, die erste davon gegen Cheparinov aus guter Stellung, die beiden folgenden gegen Mamedjarov und Salem Saleh aus glatten Gewinnstellungen. Mit einer talentlosen Null gegen Prinz Wagner endete der erste Tag, mir einer desaströsen gegen Donchenko begann der zweite. Ich war total down. 4,5/12, keine Elo-Chips mehr vor mir.

Ich brauchte eine Runde um herunterzukommen, in der ich ein Remis gegen Hasangatin schaffte. Danach kam die Wende, ich schlug nacheinander Carlstedt  (es frage keiner, wie), Teske und Naumann. Und dann erwischte das Ende meiner Glückssträhne noch Akopian. Plötzlich wieder +1!

Doch danach ließen die Kräfte nach. Die Partie gegen Jumabayev war schon sehr schlecht, auch wenn ich sie zwischendurch fast gedreht hätte. Mit letzter Kraft schlug ich danach noch Zvjaginzev, um nicht auch noch gegen ihn 0:2 zu verlieren. 10/19, ich mag nicht mehr, aufhören! Aber zwei musste ich noch, und das waren die beiden schlechtesten der fünften Tage. Bocharov zerdrückte mich wie eine Filzlaus mit dem großen Daumennagel. Und gegen Lenic bot ich in besserer Stellung nach der Eröffnung remis, um die 50 symbolischen Prozent zu saven, aber keine Chance.

Am Ende also 10/21, und genug Elo-Gewinn (13), um die Drinks zu bezahlen und auf dem Rückweg nen paar Burger zu kaufen. Und natürlich eine Erinnerung an ein paar goldene Momente, als das ganze Casino gebannt geschaut hat, wie ich meine Chips setze. Die kann mir keiner nehmen.

Foto: Frank Hoppe

Foto: Frank Hoppe

Womit dieses Projekt WM-Blog auch schon vorbei wäre. Ich danke allerherzlichst allen die hier mitgelesen, mitgefiebert, mitgezittert oder auch mitgelästert  (z.b. über Colorado) haben. Ich habe mich extrem über die tolle Unterstützung, aufmunternde Worte, Schulterklopfen oder zugesteckte Schokoriegel vor Ort gefreut, es war eine tolle WM und ihr alle (Mom, Lina und David, Jan-Hendrik, Christoph, Marcel, Laura, Peter, Stephan und Andrea, Mark, Dirk, Marcus, Martina, Joachim, Jasmin, Anja, Steffi und Christian, Lukas I und II,  Lara und Tonia sowie alle Spieler und Schiedsrichter sowie alle anderen Personen, die ich vielleicht vergessen habe (sorry!) die sich mein ständiges Gejammer zwischen den Runden oder abends anhören mussten und es trotzdem gern taten), wart mit ein Grund dafür.

Vielen Dank und bis zum nächsten Mal!

Day 4: Rollercoaster

Liebe Freunde,

ihr habt es mit Sicherheit schon gesehen, 4,5/11 nach einem sehr wechselhaften Tag. Es gab ein Remis gegen niemand anderen als Vishy Anand, es gab einen Sieg über Bacrot, eines glückliche Rettung gegen Dominguez, der sogar mal Blitzweltmeister war. Und es gab viele, sehr viele, zu viele unglaublich bittere Niederlagen, am Ende 4 am Stück. Ich muss mich da irgendwie herausarbeiten, eine Zusammenfassung ist leider erst morgen nach dem Turnier drin. Die Batterien gehen zu Neige…

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Foto: Ulrich Stock/Zeit

Day 3: Carnage

Die Reihen auf dem Brett lichten sich, Ghaem Maghamis Uhr tickt herunter, die Spannung steigt. Direkt hinter der Absperrung steht die Frau Mamà, die extra aus Hannover angereist ist, WM ist schließlich nicht jede Woche. In diesen Sekunden entscheidet sich, ob es ein grandioser Tag wird oder ein sinnloser, verlorener, vergeudeter. Ich kann seinen Springer mit dem Turm schlagen, und er wird mir die Hand zur Aufgabe reichen, ich kann mit der gleichen Idee seinen Bauern auf d4 wegnehmen mit meinem Läufer, auch da lebt Weiß nur noch ein paar Züge. 50%, noch vier Runden, alles drin, die nächsten Großmeister kommen.

Stattdessen greife ich auf d4 mit der Dame zu, Damentausch, ich verliere später das anfangs noch leicht bessere Endspiel. Von dieser Niederlage kann ich mich nicht mehr erholen, finde keine Ruhe nach Innen und Außen. Die Pause scheint diesmal ewig lang zu sein, so lang, dass ich alle Varianten und diese dich sinnlos zerfressenden „Hätte-Wenn-und-Aber-“ Geschichten tausend und ein Mal durch meinen Kopf jagen kann. Die Ordnung ist dahin, die Konzentration und das Vertrauen in einen Selbst, darin, dass der Tag trotzdem noch grandios wird.

In der nächsten Partie gegen Renè Stern habe ich die Gedanken noch komplett bei …Lxd4 und gefühlt vom ersten Zug keine Chance. Danach gegen Namig Guliev spiele ich eine gute Eröffnung und Mittelspiel, um danach schnell ohne direkte Fehler wiederum chancenlos zu verlieren. Mom hat genug gesehen und fährt nach Hause, was aber auch an der Zugbindung liegt. Sie verpasst, wie die Fans, die beim Stand von 0:3 in der 89 Minute das Stadion verlassen, noch einen Treffer. Gegen Martin Brüdigam stehe ich zwar total perspektivlos, aber er hat großes Pech, dass die Stellung nach dem Damentausch gefühlt forciert gewonnen für mich ist, und ich muss dafür noch nicht mal groß nachdenken. Selten spielt sich eine Position so dermaßen von alleine. Im Schlussgang bin ich Swiss-Caissa sehr dankbar über die Auslosung gegen Rainer, die den Shortcut dafür liefert, diese Quälerei schnell zu beenden – Remis.

Am Ende bleiben 6 Punkte aus 15 Partien und ein trauriger anonymer Platz ganz in der Nähe des traurigen Setzlistenranges. Und dazu eine traurige (Un)-Gewissheit:

Habs echt noch nicht angeschaut.

Habs echt noch nicht angeschaut.

Morgen geht es endlich mit Blitzen weiter, und der Umstand, dass ich die Vokabel „endlich“ verwende, sagt schon verdammt viel über meinen derzeitigen Frustrationspegel aus. Was aber auch ein Gutes haben kann. Meine morgigrn Gegner um Brett 87 herum sollten sich echt warm anziehen, ehrlich.

Day 2: Tschüss, Katzentische…!

Nach dem zweiten Tag der Schnellschach-WM fühlt sich alles schon etwas besser an. 4,5 Punkte aus 10 Partien stehen nun zu Buche, das Elo-Minus ist beinahe ausgeglichen. Spielerisch liegt zwar noch immer vieles im Argen, aber zumindest habe ich die Uhr nun sicherer im Griff und stelle die Partien nicht einzügig weg. Was nicht ganz stimmt, machen wir alles der Reihe nach:

In Runde 6 wurde es das von mir im letzten Beitrag erhoffte leichte Spiel gegen Elvira Berend, die in der Eröffnung 5-6 Minuten für das sehr zweifelhafte …Db6 verbrauchte. Danach könnte ich ihr mit meinem d-Freibauern offensichtlich komplett die Luft zum Atmen abklemmen (die Engine sagt so etwas wie +4) aber ich sah da bereits ein besseres Endspiel, in das ich mit schlafwandlerischer Zielgerichtetheit abwickelte und dann auch gewann.

In Runde 7 kam noch einmal dieser Moment, wo man beginnt, an allem zu zweifeln – an seinen Eröffnungen, an seiner Einstellung, an seinem Hobby und eigentlich auch am Sinn des Lebens. Ich spielte gegen Eric Hansen aus Kanada, der in der Eröffnung an zwei Spots hintereinander nicht den strengsten Zug spielte, ich stand mit Schwarz vielleicht schon für nen Pfennig bequemer. Doch dann packte ich 10…f5?? aus (und ich bin mir sicher, nicht zum ersten Mal in meiner glänzenden Karriere), wonach ich meinen wichtigsten Bauern c5 und meine gesamte Stellung in Schutt und Asche gelegt hatte. Ich wollte sofort aufgeben, beschloss aber, mich selbst durch Weiterspielen noch etwas zu kasteien. Es wurde sogar noch eine ziemlich lange „Partie“, da Hansen sich beim Auffinden der Vene für die Giftinjektion weniger geschickt anstellte als so mancher Henker aus Oklahoma, doch am Urteil änderte das alles nichts mehr.

Ab jetzt wurde es aber wirklich besser. Ich kam gegen Jure Borisek aus Slowenien zwar mit Weiß talentlos aus der Eröffnung und stand einige Zeit später sogar technisch auf Verlust. Aber die bei norddeutschen Schnellturnieren erworbene Zähigkeit zahlte sich aus, ich konnte immer wieder die direkten Drohungen abwehren, den Verlust etwas hinauszögern. Und wurde belohnt, in Form davon, dass ich die Partie nicht nur gerettet habe, sondern am Ende sogar selbst die Gelegenheit erhielt, mit TS vs. T den Sieg zu versuchen, was mein sympathischer Gegner aber tadellos verteidigte. Er war übrigens auch der Einzige Gegner in diesen zwei Tagen, der sich in irgendeiner Weise positiv über mein Spiel geäußert hat 🙂

Auf diese Weise motiviert, gelang es mir in Runde 9 irgendwie, mit Schwarz einen starken Großmeister, Andrey Yuri Vovk aus der Ukraine zu schlagen, der neulich beim Weltcup um ein Haar das chinesische Supertalent Wei Yi eliminiert hätte. Ich hatte ausnahmsweise Plan von der Eröffnung und kam mit Vorteil ins Endspiel, als ich einen Bauern opferte, aber dafür seine Struktur ruinieren konnte. Ich war dann aber zu gierig, meine Investition sofort zurückzuholen (statt auf f3 zu nehmen, zeigt die Engine …g5! an, ein total geiler Zug, den ich in diesem Leben aber wohl nicht mehr finden werde 😦 ), wonach es wieder ausgeglichen war. Als Vovk dann auf f7 nahm, worauf ich ihn mit „Berührt-Geführt“ festnagelte, ging alles ganz schnell und mein a-Bauer lief ungehindert zur Dame.

Nach diesem Break verpasste ich leider in Runde 10 gegen den polnischen Großmeister Gregorz Gajewski einen weiteren. Ich kam zwar miserabel aus der Eröffnung, aber ab einem bestimmten Moment wurde alles besser, man sah sogar an seinem Gesicht, dass er einige Züge von mir übersehen hatte. Nachdem er auf e4 einen fehlerhaften Tausch der Leichtfiguren iniziierte, hätte ich eigentlich Oberwasser bekommen sollen. Doch ich hatte zu viel Sorge vor einem möglichen Grundreihenproblem und stellte unbedacht meinen Mehrbauern nach h4, den ich mir kurze Zeit später abschwatzen ließ. Im Turmendspiel musste ich dann wieder etwas aufpassen, aber : Remis.

Heute geht es zunächst gegen den Iraner Ehsan Ghaem Maghami, der das Kunststück fertiggebracht haben dürfte, in der ersten Runde gegen Carlsen ein Remis geschafft zu haben, und trotzdem unzufrieden mit dem Turnierverlauf zu sein. Ich bin zwar wie in den meisten anderen Partien auch hier der Schwächere, für unmöglich halte ich diese Aufgabe aber nicht. Mal sehen, was heute noch so passiert. Ich darf mich aber nicht blamieren, da mich heute zum ersten Mal seit der niedersächsischen Jugendmeisterschaft 1998 wieder meine Frau Mamà beim Schach besucht 🙂

Mehr Spannung gibt es am anderen Ende der Tabelle, wo die beiden Spitzenreiter aufeinander treffen. Carlsen trifft dabei auf Zhigalko aus Belarus, der zwar ein sehr starker Spieler ist, aber vergleichsweise unerwartet bei 8/10 notiert (zum Vergleich: Anand, Grischuk, Aronian haben schlanke 5,5…). Heute ist noch viel zu spielen, ich tippe aber mal konservativ auf Titelverteidigung Part I.

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Es ist angerichtet (Foto: Giovanni Thornton)

Day 1: Rumpelstart

Der erste Tag der Schnellschach-WM ist vorbei, ich bin dementsprechend WM-mäßig entjungfert und kurz nach Mitternacht tobt in meinem Kopf immer noch der Kampf zwischen der weichenden Euphorie und der einsetzenden Frustration. Klar, noch heute Morgen hatte ich 1,5 Punkte als rechnerisch wahrscheinlichstes Ergebnis prognostiziert, richtig glücklich kann ich mit diesen aber nicht sein. Aber der Reihe nach:

Der Saal, wo wir spielen, ist total schön. Das gleiche gilt auch für das tolle Spielmaterial, denn die weniger handlichen Designerfiguren finden nur an den ersten vier Tischen Verwendung. Wir haben Zugang zur Players Lounge, mit Obst und norwegischem Mineralwasser einer Marke mit dem tollen Namen „isklar“. Die Zuschauerresonanz ist gewaltig-euphorisierend, es ist bemerkenswert, dass das Berliner Publikum tatsächlich geduldig bei uns an den hinteren Reihen ausharrt, wo doch 30 Meter weiter vorne Kramnik, Anand oder Gelfand sitzen. Es wird jedes Brett live ins Netz (Chess 24) übertragen, aber das wisst ihr vermutlich schon. Es gibt auch einen Confession Room, der sich einiger Beliebtheit erfreut – so groß das Mitteilungsbedürftnis einiger Schachspieler ist, ist es ein Wunder, dass eine solche Kabine nicht überall Standard ist. Sie hätte alleine meinen Mitmenschen in den letzten Jahren so manches frustrierende Gespräch erspart, allerdings auch mir selbst.

Leider bekomme ich im Turnier bisher kein Bein auf die Erde. Der einzige, kleine Kritikpunkt, den ich an der Veranstaltung habe, die zu langen Pausen zwischen den Runden, macht mir einiges zu schaffen. Zusammen mit einer totalen Reizüberflutung, die auf mich als Newbie bei solcherlei Festivals einschlägt, führt das alles dazu, dass ich große Probleme habe, im Spiel einen guten Rhythmus zu finden. Gegen Mamedov in Runde 1 lief mir die Zeit davon und verhinderte eine mögliche Rettung in einem vermutlich remisen Turmendspiel. Zvjaginzev hatte ich in Runde 2 mit Colorado am Rand des Abgrunds, aber wollte es zu schön machen und verlor am Ende auch noch auf Zeit, ohne es überhaupt zu merken. Gegen Carlstedt spielte ich dafür in Runde 3 viel zu pomadig und schnell, und war gezwungen, das erste sich bietende Dauerschach zu nehmen, um nicht deutlich schlechter zu stehen. Gegen Katja Lagno stellte ich anschließend mir nichts, dir nichts eine Figur für zwei Bauern ein, die sie mit der Kälte einer Eiskönigin verwertete. Und endlich durfte ich dann in Runde 5 meinen aufgestauten Ärger am neuseeländischen Vertreter Thornton abladen, aber es war eher keine richtige Partie, sondern eine Art handschriftliche Skizze ohne jeden künstlerischen Wert, zu ungleich waren am Ende die Kräfte der Kontrahenten. Ich hatte am Ende etwa 14 meiner 15 Minuten auf der Uhr…

Bisher stehen also 1,5 Punkte gegen Schwächere zu Buche, nach oben hin ging drei Mal zwischendurch einiges, aber am Ende halt doch nichts. Bisher kostet mich die WM-Entjungferung schlappe 22 Elo, aber morgen könnte das Ganze schon wieder anders aussehen. Es folgen vermutlich zwei Weißpartien, eine davon gegen die luxemburgische Spitzenspielerin Elvira Berend, die etwas mehr hat als 2300. Sollte ich sie schlagen, sehen die 2,5/6 wie ein normales Zwischenergebnis aus, wenn man niemandem erzählt, wie es zustande gekommen sein wird.

In der Schachfreunde-Berlin-Wertung liege ich dafür gerade auf dem zweiten Platz hinter Kacper Piorun, aber noch vor Rainer, Lars und Dennes, die genau wie ich nicht gerade wie eine Rakete durchgestartet sind.

Das hier brauche ich morgen.

Das hier brauche ich morgen.

Hoffnung dafür gibt mir, dass mich die AGON-Mitarbeiter heute offensichtlich mit Schnellschach-Ass Ian Nepomniatschi verwechselt haben, zumindest landete bei der Aufbewahrung mein Smartphone im Beutel mit seinem Namen. Warten wir ab, ob das ein gutes Zeichen für morgen ist. Der nächste (große) Bericht dann erst in 24 Stunden, alles andere ist total unrealistisch, zumal mal in den Pausen nicht an die angegebenen Handys rankann. Gute Nacht und viel Spaß beim Zuschauen!


Vorschau Rapid Day 1

Mittlerweile habe ich Klarheit erlangt über die für die Auslosung maßgeblichen Zahlen. Sie wenden die vernünftigste Methode an und nehmen bei beiden Turnieren die entsprechende Oktoberzahl, ohne Wenn und Aber. Das bedeutet, ab heute bin ich mit meinen Rapid-2493 das totale Plankton, ab Dienstag mache ich beim Blitzen dafür mit  immerhin 2591 ein paar Plätze gut.

Download

5 Runden Schnellschach 15+10 an einem Tag klingt machbar, diese sind aber mit jeweils 1 Stunde 15 Minuten recht großzügig angesetzt. Das liegt natürlich daran, dass sich immer Genießer finden, die Freude an einem schönen TL vs T oder einem Damenendspiel fünfsteiner mit Randbauer zeigen. Es geht also frühestens bis Acht. Ob von zwischendurch ein paar Bilder/Worte drin sind, wird an der Konsequenz liegen, mit der das Smartphone-Verbot (von dem auch Armbanduhren und Kugelschreiber betroffen sind) in die Tat umgesetzt wird, bisher bin ich da äußerst pessimistisch. Das gilt auch für meine heutige Punktausbeute – da ich keine Chance habe, schon in Runde 2 einen Schwächeren zu erwischen, sind 1,5/5 das normale und 2/5 schon das äußerst erstrebenswerte Ziel. Ich bin aber gespannt, welch ungeahnte Motivation das gefühlt erste Turnier seit Jahren ohne die Beteiligung eines Vladimir Epischin bei mir auslösen kann.

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Mit Sicherheit kein Bild der Siegerehrung der Rapid-WM

Day 0

Wie man an den tollen Bildern sieht, die bei der heutigen Filmpremiere von „Pawn Sacrifice“ entstanden sind, hatte ich schon immer ein ganz besonderes Faible fürs Fotografieren. Auch wenn die Fotos mit einer guten Kamera oder einem besseren Sitzplatz noch glanzvoller geworden wären.

Der Empfang, mein erster solcher Art, hat mir insgesamt sehr gut gefallen. Zunächst gewann ich den durch meine kürzliche Trennung kurzfristig verloren gegangenen Glauben an das Gute im Menschen wieder, als mir meine EC-Karte abhanden kam, aber binnen Minuten wieder an der Garderobe auftauchte – beileibe keine Selbstverständlichkeit. Danach gab es bei reichlich Sekt und Häppchen genauso reichlich Stars und Prominente zu bestaunen. Ob Veteran Boris Spasskij, Kirsan Iljumschinow, Anand, Carlsen, Svidler, Krammik, Nepomniatschi oder Karjakin, die Liste derer, die mich erfolglos um ein Selfie angebettelt haben, lässt sich beliebig verlängern. Doch ich verbrachte die meiste Zeit lieber damit, anderen Deutschen die Hände zu schütteln und uns für morgen für unseren gefühlten halben Punkt aus den ersten fünf Partien im Schnellschach Mut anzutrinken.

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Ausserdem standen im Foyer einige Schachspiele mit dem exklusiven Schachsatz bereit, mit dem wir wohl die nächsten fünf Tage spielen werden. Optisch das Set nicht so mein Ding, kann aber Geschmackssache sein. Haptisch bekam ich die Figuren bisher noch nicht in die Hände, kann sie also noch nicht beurteilen. Ich frage mich eher, mit welchen Uhren wir spielen und hoffe auf die neue DGT, die beim Weltcup zum Einsatz kam.

Anschließend ging es endlich herüber in den Kinosaal. Dort wurde zunächst ein toller Imagefilm über das Schachspiel gezeigt, dessen Wirkung aber leider durch die nachfolgenden Reden etwas relativiert. Ivanchuk, der einen Platz neben mir saß und durch ein überdimensional großes Cappy auffiel, überkam bei diesem Vorgeplänkel plötzlich das Hungergefühl, dass er mit seinem zwei Begleitern und den Worten „kommt, lasst uns mal schön zu Abend essen!“ den Saal verließ und bis zum Ende nicht mehr gesehen wurde.

Danach startete der Film, der mir ausgesprochen gut gefallen hat. Besonders Tobey Maguire wusste in der Rolle von Bobby Fischer dessen wirren, besessenen, Blick eines vom Schach Getriebenen meisterhaft nachzuahmen, aber auch die anderen Schauspieler machten ihre Sache gut. Ärgerlich nur die paar logischen Unstimmigkeiten  (Fischer reiste meines Wissens nicht aus dem bulgarischen Varna sondern aus dem tunesischen Sousse vorzeitig ab etc.) sowie die von Carlsen bereits vor dem Film monierten motorischen Schwierigkeiten der Schauspieler, bei der Ausführung der Züge wie Schachspieler zu wirken. Da wurden die Figuren im bunten Mix munter über das Brett gezogen, geführt und gestampft, und das mal unter Einsatz des kleinen Fingers, mal mit zwei Fingern, drei oder mit der ganzen Faust. Beim Schlagen wurde die geschlagene Figur mal mit einer Hand weggenommen, mal mit der anderen, mal mit der schlagenden Figur vom Brett geschoben. Aber es sah kein einziges Mal nach richtigem Schach aus und wirkte daher wie Fischers ständig ausgesprochene Schachgebote etwas albern. Das gemeine Kinopublikum wird aber, wie gesagt, keinen Unterschied merken, von daher, ist der Film durchaus massentauglich.

Morgen ist um 12:00 Registrierung, bevor um 14:00 endlich die WM startet und zwar zunächst die Schnellschach-WM. Dazu zaubere ich morgen früh vielleicht noch etwas an dieser Stelle. Schließen würde ich gerne diesen Bericht mit der Abbildung der neuen Frisur von Ex-Weltmeister Ruslan Ponomariov. Da aber hier vermutlich sowohl Minderjährige als auch der Verfassungsschutz mitlesen, werde ich davon Abstand nehmen müssen. Haltet die nächsten Tage die Augen auf Chessbase offen, wo der Mann vielleicht mal abgelichtet wird, oder schaut einfach am Spielort in der Bolle Meierei Berlin vorbei, um zu sehen, was ich meine.