Rückblick: Rien ne va plus
Die WM ist Geschichte, fünfeinhalb Tage intensives Schachfieber sind vorbei, die Traumblase zerplatzt. Für mich war es wie für viele andere, die reinste Achterbahnfahrt, die Anstrengung enorm, das Teilnehmerfeld brutal. Meistens war es schön, sogar an einige Niederlagen erinnere ich mich mit Wohlwollen, andere Partien waren vom ersten Zug an eine Tortur. Ich bin aber glücklich, dass ich dabei war. Hätte ich das Event hier verpasst, ich hätte es mir wohl über Jahre nicht verzeihen können.
Am Meisten wird sich mir wohl das Blitzturnier in die Erinnerung einbrennen, welches wie ein Drama ohne richtiges Happy End geschrieben war. Die Startphase war phänomenal, ich finde keine anderen Begriffe dafür. Remis gegen Anand (den ich nur bekam, weil meine 51 Elo Punkte, die am Tag vor dem Turnier spurlos von meiner Karteikarte verschwunden waren, doch noch auftauchten). Dann Colorado-Sieg gegen Onischuk. Dann Remis gegen Fedoseev aus Position der Stärke. Dann noch ein Colorado-Sieg gegen Savchenko. Und dann ein Remis gegen den zweiten (Blitz)Ex-Weltmeister Dominguez. Dann zwar eine zweite Null in Berlin gegen Ghaem Maghami, man kann wohl sagen, „He’s got my number“. Doch anschließend schlug ich Bacrot. 4,5/7, ein Plus von vllt 50 Elopunkten. Wahnsinn, wo hat dieses Casino die Kasse, ich möchte bitte meine Chips einlösen!
Leider hatte das Casino eine Umtauschgebühr in Höhe von 5000$, die bei vorzeitigem Turnierabbruch berechnet wurden. Also spielte ich weiter. Aber von nun an war es vernagelt. Setzte ich Rot, kam Schwarz. Wenn ich die Chips auf Schwarz hatte, lag die Kugel auf Rot. Setzte ich auf das große und kleine Drittel, kam höhnisch die 13. Ich verlor fünf Partien in Folge, die erste davon gegen Cheparinov aus guter Stellung, die beiden folgenden gegen Mamedjarov und Salem Saleh aus glatten Gewinnstellungen. Mit einer talentlosen Null gegen Prinz Wagner endete der erste Tag, mir einer desaströsen gegen Donchenko begann der zweite. Ich war total down. 4,5/12, keine Elo-Chips mehr vor mir.
Ich brauchte eine Runde um herunterzukommen, in der ich ein Remis gegen Hasangatin schaffte. Danach kam die Wende, ich schlug nacheinander Carlstedt (es frage keiner, wie), Teske und Naumann. Und dann erwischte das Ende meiner Glückssträhne noch Akopian. Plötzlich wieder +1!
Doch danach ließen die Kräfte nach. Die Partie gegen Jumabayev war schon sehr schlecht, auch wenn ich sie zwischendurch fast gedreht hätte. Mit letzter Kraft schlug ich danach noch Zvjaginzev, um nicht auch noch gegen ihn 0:2 zu verlieren. 10/19, ich mag nicht mehr, aufhören! Aber zwei musste ich noch, und das waren die beiden schlechtesten der fünften Tage. Bocharov zerdrückte mich wie eine Filzlaus mit dem großen Daumennagel. Und gegen Lenic bot ich in besserer Stellung nach der Eröffnung remis, um die 50 symbolischen Prozent zu saven, aber keine Chance.
Am Ende also 10/21, und genug Elo-Gewinn (13), um die Drinks zu bezahlen und auf dem Rückweg nen paar Burger zu kaufen. Und natürlich eine Erinnerung an ein paar goldene Momente, als das ganze Casino gebannt geschaut hat, wie ich meine Chips setze. Die kann mir keiner nehmen.
Womit dieses Projekt WM-Blog auch schon vorbei wäre. Ich danke allerherzlichst allen die hier mitgelesen, mitgefiebert, mitgezittert oder auch mitgelästert (z.b. über Colorado) haben. Ich habe mich extrem über die tolle Unterstützung, aufmunternde Worte, Schulterklopfen oder zugesteckte Schokoriegel vor Ort gefreut, es war eine tolle WM und ihr alle (Mom, Lina und David, Jan-Hendrik, Christoph, Marcel, Laura, Peter, Stephan und Andrea, Mark, Dirk, Marcus, Martina, Joachim, Jasmin, Anja, Steffi und Christian, Lukas I und II, Lara und Tonia sowie alle Spieler und Schiedsrichter sowie alle anderen Personen, die ich vielleicht vergessen habe (sorry!) die sich mein ständiges Gejammer zwischen den Runden oder abends anhören mussten und es trotzdem gern taten), wart mit ein Grund dafür.
Vielen Dank und bis zum nächsten Mal!